15. Juni 2015
Wir haben erst im März mit der Planung unserer Weihnachtsferien in finnisch Lappland begonnen. Entsprechend waren die Direktflüge nach Kittilä und Rovaniemi entweder bereits ausgebucht oder kaum mehr bezahlbar.
Nach kurzer Recherche war klar, dass die lange Anreise nicht nur per Flugzeug möglich ist, denn es fährt ein Nachtzug von Helsinki nach Lappland!
Der Zug fährt ab dem Hauptbahnhof, welcher sich mitten im Zentrum von Helsinki befindet. Wer direkt vom Flughafen kommt, fährt mit dem Zug der Linie P zur Station Tikkurila (Vantaa) und steigt dort in den Zug nach Kolari.
Täglich fahren mehrere Züge, zum Teil mit Umsteigeverbindungen, von Helsinki nach Kolari und Rovaniemi. Da die Fahrt rund 14 Stunden dauert, haben wir uns für den Nachtzug entschieden. Das Ticket für eine einfache Fahrt auf dem zugewiesenen Platz kostet EUR 39.50.
Komfortabel und entspannt reist es sich in der Schlafkabine. Je nach Nachtzug hat es verschiedene Kabinen zur Auswahl.
Bei der Hinfahrt hatten wir je eine Doppelkabine in den Wagen 40 und 41, wobei die Kabine, welche ich mit Jack teilte, eine Kabine für Menschen mit Einschränkungen war. Im Vergleich mit der «normalen» Doppelkabine, welche sich Pascal und Leilah teilten, war unsere Kabine wenig grösser und verfügte über eine elektrische Tür. Vis-a-vis befand sich die Toilette, welche ebenfalls, behindertengerecht war und sich auch per Knopfdruck öffnen liess.
Die mit Stockbetten eingerichteten Kabinen verfügen über alles, was man benötigt: Ein Waschbecken, je eine Steckdose sowie eine Leselampe, ein abdunkelndes Rollo und ein kleines Tischchen. Da das Wasser nicht trinkbar ist und damit auch nicht Zähne geputzt werden sollte, gibt es für diesen Zweck je eine kleine Wasserflasche.
Die Betten sind bequem und beim Einstieg bereits bezogen. Auch liegen kleine Frottéetücher bereit.
Die Doppelkabinen sind teilweise mit Verbindungstüren ausgestattet, was das Reisen mit kleinen Kindern einfacher gestaltet. Unsere Kinder sind mittlerweile in einem Alter, wo auch die Zugreise in unterschiedlichen Wagen nicht zu ewigem hin- und herlaufen führt, weil sich der gerade benötigte Gegenstand im Gepäck in der anderen Kabine befindet.
Auf der Rückfahrt hatten wir den alten Zug. Hier gibt es nur 3er Kabinen. Die Einrichtung ist identisch mit den neuen Kabinen, wobei das Etagenbett dreistöckig ist. Das Fenster ist etwas grösser und das Waschbecken ist in schickem 70er Jahre orange gehalten, passend zum kackbraunen Vorhang. Im Gegensatz zum neuen Zug gibt es nur eine Steckdose und kein WLAN!
Die Doppelkabinen mit Dusche & WC haben wir nicht getestet, sie sind jedoch identisch ausgestattet wie die «normalen» zweier Kabinen, verfügen aber über eine eigene Toilette und eine Dusche.
Auch hier gibt es Unterschiede, je nach Zug.
In den neuen, doppelstöckigen Wagen sind die Toiletten wie wir sie aus Schweizer Zügen kennen, in den alten Wagen sind die Toiletten wie wir sie von früher kennen: Nur während der Fahrt zu benützen, da die Ausscheidungen direkt auf die Gleise gespült werden. Die Schlafkabinen sind mit einer Tür von den Toiletten abgetrennt, wobei der Toilettenteil nicht beheizt ist. Auf unserer Rückfahrt waren diverse Toiletten nicht zu benützen, weil sie eingefroren sind. Ausserdem fand sich auch eine Menge Schnee am Boden wieder, welcher wohl durch den Fahrtwind durch die offene Toilette nach drinnen gewirbelt wurde.
In allen Zügen hat es pro Wagen eine Toilette, wobei eine deutlich grösser bemessen ist.
Es gelten ähnliche Gepäckregeln wie im Flugzeug. Pro Person dürfen ein kleines Gepäckstück sowie zwei grosse Koffer mit einer maximalen Grösse von 80x60x40 mitgebracht werden. Bedenkt man die Kabinengrösse von 3.3 m2 wird es damit ziemlich eng.
Wir sind mit vier Reiserucksäcken und drei Snowboardbags gereist. Die Rucksäcke fanden unter dem Bett Platz, die Snowboardbags konnten wir im Gepäckwagen (gibt es in jedem Zug) durch den Kondukteur einschliessen lassen. Hierfür werden pro Gepäckstück EUR 5 belastet, wobei wir bei der Hinfahrt 10 Euro bezahlt haben. Bei der Rückfahrt war der Transport gratis.
Grundsätzlich können Kinderwagen, Skis und Snowboards in allen Zügen gratis transportiert werden. Für Velos wird eine Gebühr von EUR 4-8, je nach Länge der Strecke, verlangt. Der Platz fürs Bike muss vorreserviert werden.
Auch in den finnischen Zügen ist die Kinderfreundlichkeit der nordischen Länder spürbar. In allen grossen Toiletten, also in jedem Wagen, gibt es ein «Häfi» und einen Flaschenwärmer (Ja, dafür gäbe es sicherlich bessere Orte).
Im Restaurant gibt es Kindermahlzeiten und selbst mitgebrachte Kindermahlzeiten können aufgewärmt werden. Auf Vorbestellung gibt es auch einen Rausfallschutz fürs Bett, welcher beim Einstieg bereits am Bett montiert ist.
Jeder Zug, ob alt oder neu, verfügt über ein Restaurant. Hier gibt es während der ganzen Fahrt diverse Mahlzeiten. Das Menü findet sich in Papierform in jeder Kabine. Die Gerichte können auch direkt bei der Kondukteurin bestellt und direkt in die Kabine geliefert werden.
Der Restaurantwagen ist meist gut besucht, wir haben uns direkt bei der Abfahrt einen Platz gesichert und noch etwas getrunken oder gegessen. Unsere Rückfahrt startete bereits um 15:00 Uhr, um 18:00 Uhr waren fast alle Menüs ausverkauft. Wer nicht hungrig durch Finnland in den Schlaf geschaukelt werden will, sollte sich allenfalls mit Snacks ausstatten.
Dasselbe gilt für wählerische Kinder, wobei Leilah, welche äusserst wählerisch ist, die Hackbällchen mit Kartoffelstock für gut befand. Gerichte welche Laktose- und Glutenfrei sind werden entsprechend auf der Karte gekennzeichnet, genauso wie vegetarische und vegane Menüs.
Das Frühstück kann bis zu fünf Tage vor Abreise bestellt werden und wird direkt in die Kabine geliefert. Als Alternative gibt es im Restaurantwagen eine kleine Auswahl an Frühstücksspeisen, Kaffee und Brötchen.
Wir empfanden die Fahrt als sehr angenehm. Obwohl der Zug an 13 Stationen hält, haben wir gut geschlafen. Wir hatten den Eindruck, dass es auf der Strecke wohl nicht allzu vielen Weichen hat, den die Fahrt war ruhig. Bei leichtem Schlaf und evtl. schnarchenden Nachbarn in der Nebenkabine sind Ohrstöpsel dennoch eine gute Investition.
Die Züge lassen sich problemlos online oder über die App der finnischen Bahngesellschaft (VR) buchen. Bei der Wahl einer Verbindung werden automatisch auch gleich die verfügbaren Kabinen angezeigt und es besteht die Möglichkeit, die Kabinen selbst auszuwählen.
Der Preis ist jeweils pro Kabine, wobei sich die Preise zwischen EUR 75.00 und EUR 200.00 bewegen. Grundsätzlich sind die Preise während der Hochsaison sowie am Wochenende höher. In Zügen mit alten und neuen Kabinen ist der Preis für die Doppelkabinen ohne Toilette und Dusche gleich hoch wie die 3er Kabinen. Die Doppelkabinen mit Dusche und WC kosten zwischen EUR 50.00 und EUR 60.00 mehr.
Wer mit dem Auto anstatt dem Flugzeug bis nach Helsinki reist, kann das Auto in Pasila, 6 KM ausserhalb des Zentrums von Helsinki auf den Autozug verladen. Die Wägen mit den Autos werden hier an den vom Hauptbahnhof kommenden Zug angehängt. Der Preis für den Autotransport beläuft sich auf rund EUR 200.00 pro Strecke.
